Oct 29 - Nov 12, 2024
Kunstraum SUPER, Wien
photography by Bianca Phos







Not even smooth, so smooth
Schon beim Eintreten in Bianca Phos Ausstellung “Not even smooth, so smooth” stolpert die Betrachter*in über die Grenzen der ausgestellten Kunstwerke. Es scheint zwar, als ob es distinkte Objekte gibt, aber weder sind diese in ihrer Konstellation als einzelne Objekte stabil, noch in ihrer Zu- oder Zusammengehörigkeit. Dies liegt als Struktur unter dem Eindruck der Fragilität, der sich unmittelbar einstellt. Man mag sich nur vorsichtig bewegen, aus Angst, man könnte die anfangs zart wirkenden und lose hingestellt scheinenden Elemente - trotz ihrer schweren Verankerung - umwerfen.
Bianca Phos Werk lässt sich als Prozess fassen, als ein Arbeiten, das kurzzeitig innehält, wenn es gezeigt wird, dann aber von dort wieder mit Wendungen fortschreitet. Sie arbeitet mit distinkten Elementen, wie in diesem Fall mit den von ihr als Capsules bezeichneten Glasrohren und den Stations, schweren Zylindern aus Vollstahl. Sie kommen in unterschiedlichen Variationen vor, fast wie Vokabel, immer wieder neue Stellungen einnehmend. Die Stations sind eine Weiterentwicklung eines Elements, das schon vor smooth in ihrem Werk als Sockel einer anderen Konstellation vorkam, die Capsules sind ein neues Element. In diesen aktuellen Arbeiten fehlen vormals häufig gebrauchte Objekte, die Ronden (flache, runde Metallscheiben) und Cartridges (kurze Metallstangen). Die Ronden, mit den dazwischen geschalteten Cartridges, haben sich in einem ständig wechselnden Rhythmus längere Zeit durch Phos Werke gezogen. Diese Vokabel werden zu Sätzen, kleineren Binnenarrangements zusammengefügt, die - auch das wieder keine fixe Grammatik - mit anderen ein größeres Gestell ergeben, das spezifisch auf die Situationen und Räume, die es einnimmt, reagiert.
Die Konstellationen, die sich daraus ergeben, erzeugen unterschiedlichste kohäsive Momente und poetische Bilder. Wie beiläufig ist eine Capsule an die Wand gelehnt und greift als einen möglichen Ausgangspunkt der Ausstellung die Zartheit der druckgrafischen Zeichnung auf. Diesen sanften Moment finden wir auch in der Capsule, die die feinkörnige graue Bahn des Schleifpapiers kreuzt. Sein blaues, grobkörniges Gegenüber an der Stirnwand zieht sich wie eine Einladung zum Anstreifen in die Tiefe des Raumes. Zart im einen Moment, großer Schritt zum Gegenüber im nächsten, oder fast schmerzhaft verletzlich in einem anderen, dem Zusammentreffen der Capsules mit den Stations. Wie die Bohrungen gesetzt sind, wie sie die Röhren packen, unterschiedliches freigeben, ist kein rein technisches Momentum, sondern eine Poesie der Konfrontation. Fragiles, zerbrechliches Glas, dessen Integrität durch die Härte des Metalls und seine Kanten bedroht erscheint, wird gleichzeitig von diesem symbiotisch gehalten, es entsteht eine Verbindung, die unterschiedlichste Assoziationen zulässt.
Lassen sich diese Dinge als Baustoffe verstehen? Die immer wieder verschiedenen Arrangements eingehen? In der Architektur unterliegen diese Arrangements jedoch viel stärker einer dauerhaften typologischen Struktur, Phos Konstellationen nehmen nur über gewisse Zeiträume ähnliche Strukturen an. Nur ein Teil dieser Anordnungen schreibt sich fort, ein Teil verliert sich. Eine Anhänglichkeit, die permanent mutiert. Die Station tritt in unterschiedlichen Mutationen auf, einmal sind ihr drei aus ihr selbst stammende Scheiben eingeschnitten, ein anderes Mal ist sie geteilt und verschoben zusammengesetzt oder es ist ihr ein kleinerer Zylinder aufgesetzt. Die Capsules, zentrales Element dieser Konstellation, treten selbst nicht in der gleichen Form auf, stehen in den Sockeln, lehnen an der Wand, hängen an der Wand, gebogen. Sie sind alle mit Sandarten gefüllt, verschiedenen Silikaten, die in der Schleifmittelindustrie verwendet werden, um Oberflächen abzutragen, abzuschleifen oder zu reinigen. Es sind dennoch wenige Elemente, die dieses Ensemble formen, eine Beobachtung, die sich erst spät einstellt.
Baustoffe sind sie dennoch, sie sind Materialien, die meist aus industriellen Fertigungsprozessen stammen. Die hier aber gewendet und umgewertet werden. Einerseits ganz simpel durch die Verschiebung in den Kunstkontext, andererseits durch eine physische Bearbeitung, die ihre ursprüngliche Form und Funktion verändert. Wie sehr sie zu poetischen Elementen werden, zeigt auch der Bedacht, mit dem Phos auf generische Unterschiede, zum Beispiel in den Schnittmustern, blickt. Das serielle, massengefertigte Objekt bekommt individuellen Charakter. Dennoch gehen die Eigenschaften der Herkunft nicht in der formalen Umwandlung verloren. Sie spielen sowohl auf einer poetischen Ebene, als auch als ein künstlerisches Denken, das die Objekte selbst überschreitet, eine Rolle.
Als zentraler Gedanke ziehen sich die verschiedenen Sandarten durch die Arbeiten. Sie finden sich sowohl in den Capsules, als auch auf den Schleifpapieren. Im einen Mal in reiner Form, wie sie aus ihrem dreckigen Vorkommen in der Natur ausgesiebt werden, in Röhren aus der chemischen Industrie der Betrachtung anheimgegeben. In der anderen Form spezifisch gebunden, in Funktion gebracht, um konkrete Aufgaben zu erfüllen, wie das Abschleifen, Abschürfen, Abtragen von Schichten bei den Stations. Sie stellen damit eine weitere Beziehung zwischen den Dingen dieser Ausstellung her. Diese Funktionen gemahnen an den Sand als Signifikat der Wüste, der in seiner Entstehung durch Erosion ebenfalls diesen Prozessen unterliegt.
Bianca Phos Werke sind ein intensives Nachdenken über die Wüste als eine wichtige Figur in unterschiedlichen Diskursen. So wie der Sand hier in der Ausstellung vielgestaltig auftaucht, in den Capsules auch in Bewegung bleibt, so ist es die Ambivalenz der Figur der Leere, die Phos an der Wüste interessiert. Die völlig öde Leere gibt es nur in der Wüste als Metapher. Als Lebensraum ist sie höchst vielgestaltig. Spätestens seit David Attenboroughs Naturfilmen zieht sich diese Konterkarierung als Beiwerk durch die Verwendungen dieser Metapher. Wüste als Leere taucht immer mit ihrem Gegenargument als Fülle auf. Gegenwärtige Diskurse greifen dies noch viel stärker auf. Hier schließt auch Bianca Phos künstlerisches Denken an. Nicht simple Baustoffe treten hier auf, sondern eine verschlungene Vielfalt, die nicht vor der Statik des Objekts halt macht.
Herbert Justnik, 2024