Feb 14 - Apr 25, 2025
Galerie FÜNFZIGZWANZIG, Salzburg
curated by Didi Neidhart & Karolina Radenkovic
works by Mira Klug, Veera Komulainen, Bianca Phos & Vera Sebert
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Link zur Zeitung: FÜN25_Plakat_MoreThanAFeeling_WEB.pdf
More Than A Feeling
...Aspects of Artificial Futures From the Past
Gruppenausstellung mit Mira Klug, Veera Komulainen, Bianca Phos und Vera Sebert.
Kuratiert von Didi Neidhart und Karolina Radenkovic
In der Ausstellung More Than a Feeling. Aspects of Artificial Futures From the Past wird eine Art „Archäologie der Zukunft“ betrieben, die viel mehr leistet als bloß die Auswirkungen vergangener (technischer) Utopien auf unsere Gegenwart zu erkunden. Unter „Archäologie“ wird dabei jenes Bündel praktischer Theorieproduktionen verstanden, die Michel Foucault einmal als „Beschreibung des Archivs“ zur Disposi tion gestellt hat. Wobei hier unter „Archiv“ kein Aufbewahrungsort für Texte, Dokumente, Wissen etc. gemeint ist, um damit Traditionen zu untermauern, sondern ein Ort, an dem Zukünftiges schlummert. „Das Archiv“, so Foucault, „ist ein System nicht für gesagte Dinge“, sondern für das (durch Dinge) noch nicht Gesagte. Somit geht es also auch um die Suche nach einem (zukünftigen) Wissen, welches „letztlich zu neuen Theorien, neuen Meinungen, neuen Praktiken führen kann“. Für Foucault (und auch dies soll im Rahmen der Ausstellung prak tisch untersucht werden) „konzentriert“ sich daher das „Forschungs feld Archäologie“ auf etwas, das er kryptisch als „nichtwissenschaftli ches“ bzw. als „illegitimes Wissen“ bezeichnet. Die daraus generierten „Anti-Wissenschaften“ verweigern sich als „die Illegalen der Vernunft“ nun nicht nur der „Vorentscheidung zwischen Theorie und Praxis“, son dern positionieren sich dadurch auch gegen die „zentralisierenden Machtwirkungen“ der „organisierten wissenschaftlichen Diskurse“.
Dabei stellt sich jedoch die Frage, wo heutzutage „illegitimes Wissen“ und die „Illegalen der Vernunft“ überhaupt noch zu finden sind, wenn sich „fake news“, „alternative facts“ und die offenkundige Aufkündi gung objektiver Wirklichkeitsvorstellungen zugunsten radikal-indivi dualistischer „Die-Welt-als-selbstoptimierender-Wille-und-Reality Show-Vorstellungen“ in ihrer libertär-autoritären Agenda der disrup tiven Zerstörung der Welt „as we know it“ ja selber immer wieder als illegitimes und illegales Revoltieren stilisieren.
Vielleicht findet sich das darin liegende (bzw. schlummernde) Poten tial ja in stets neuen Verknüpfungen und Kombinationen. Nicht um sonst dreht sich das Werk von Gilles Deleuze und Félix Guattari so oft um (die revolutionären) Aspekte des Gefüges und von Vielstimmigkei ten. Schon 1980 beschrieben sie in „1000 Plateaus“ die „Mannigfaltig keit“ als etwas per se „Symbiotisches“. Sie „vereinigt in ihrem Werden Tiere, Pflanzen, Mikro-Organismen und verrückte Teilchen, eine ganze Galaxie“. Eine Mannigfaltigkeit und darin wohl vor allem die „verrück ten Teilchen“ lassen keine identitären Zustände zu. Viel eher geht es um ein Oszillieren von (Denk- und Theorie-)Partikeln, bei dem durch aus auch schon mal Psychedelisches, Ätherisches und Esoterisches als Teilaspekte einer undogmatischen Dialektik der Aufklärung mit ins Spiel gebracht werden können.
Dieses „performative Verständnis diskursiver Praktiken“ finden wir auch bei Karen Barad. In „Agentieller Realismus“, einem zentralen Text des „New Materialism“, schrieb sie 2012 davon, wie damit durch die „schon vorhandenen Dinge (…) erweiterbare Praktiken“ jenseits der Sprache (also der Wörter und Begriffe) bewerkstelligt werden können. Auch hier geht es um (neue, ungewöhnliche, verrückte) „ Anschlüsse“ als „konstitutive Elemente des dynamischen Wechselspiels (…) von Bestimmtheit und Unbestimmtheit“. Und es ist gerade das Unbe stimmte, durch welches sich Räume öffnen lassen, in denen für Barad nicht nur „verändernde Bedingungen“ herrschen, sondern die auch zu „verändernden Möglichkeiten“ führen. Beim aktuellen Roman „Schwin del“ von Hengameh Yaghoobifarah bedeutet dies schlicht die Auf forderung „Die Matrix glitchen!“. Aber auch hier gilt das Fazit von Dietmar Dath aus „Niegeschichte. Science Fiction als Kunst- und Denk maschine“ (2019) zu feministischer Science Fiction: „Wenn wir eines Tages wirklich nicht mehr die Probleme haben, die wir heute haben, welche Probleme haben wir dann?“
Damit wird die Frage aufgeworfen, welches Verhältnis Technologien und menschliche Erfahrungen aufweisen und welche Aushandlungs prozesse die Mensch-Maschine-Beziehung durchläuft. Die Werke die ser Ausstellung laden dazu ein, die tiefgreifenden Auswirkungen der Technik auf den Körper, die Gesellschaft und die Umwelt zu reflektie ren. Dabei geht es nicht um die Lösung bestehender Herausforderun gen, sondern um das Verweben von vergangenen und zukunftsbezo genen Vorstellungen. Die Künstlerinnen in der Ausstellung More Than a Feeling untersuchen, wie wir durch das Auffinden der Spuren von Technologien, der Natur und von Körperlichkeit Vorstellungen von zu künftigen Welten generieren können. Die gezeigten Werke eröffnen Perspektiven, die über rein theoretische Reflexionen hinausgehen – sie machen die Zukunft sinnlich erfahrbar und lassen über den tech nologischen Fortschritt hinaus Fragen aufkommen nach der Bezie hung zwischen dem Menschen, der Umwelt und den Maschinen.
Text von Didi Neidhart und Karolina Radenkovic